Vitamin D – Heilmittel für MS und Autoimmunerkrankungen?

 

Vitamin D – Heilmittel für MS und Autoimmunerkrankungen?

Interview mit Dr Coimbra über hochdosiertes Vitamin D für Multiple Sklerose und andere Autoimmunerkrankungen: Das Coimbra Protokoll. Erfolgsquote 95 Prozent.

Das Coimbra-Protokoll: Vitamin D zur Heilung von Multipler Sklerose?

Seit langem wird der Zusammenhang von Vitamin D und Multipler Sklerose erforscht. Dr. Coimbra aus Brasilien behauptet nun: Multiple Sklerose ist behandelbar. Dr. Coimbra und sein Team haben erfolgreich Tausende von Patienten mit Multipler Sklerose behandelt, in vielen Fällen mit vollständiger Normalisierung aller Symptome und klinischen Parameter. Seine als „Coimbra-Protokoll“ bekannte Therapie stützt sich im Wesentlichen auf ein einziges Element: hochdosiertes Vitamin D.

Wird die Therapie rechtzeitig begonnen, können die Ergebnisse dramatisch sein: praktisch Blinde beginnen, wieder zu sehen und Menschen verlassen ihre Rollstühle. Wir sprachen mit Dr Coimbra über die kritische Rolle von Vitamin D bei Autoimmunerkrankungen.

Die Entdeckung: Hochdosiertes Vitamin D bei Multipler Skelrose

Dr. Coimbra, wie kamen Sie auf die Idee, Vitamin D bei MS und anderen Autoimmunerkrankungen einzusetzen?

Dr. Coimbra: Ich betrieb Forschung an Laborratten mit Modellen von neurologischen Erkrankungen, mit dem Ziel, neue diagnostische Möglichkeiten zu testen. In diesem Prozess fand ich eine enorme Menge an veröffentlichten Forschungsarbeiten, die aber in medizinischen Lehrbüchern merkwürdigerweise konsequent vernachlässigt wurden. Ich fragte mich, warum diese Informationen nicht in der klinischen Praxis angewendet worden waren – denn in der Tat waren das zum Teil ganz wichtige grundlegende Informationen für Prävention und Therapie. Langsam wurde ich persönlich davon überzeugt, dass eine große Anzahl von Patienten stark von verschiedenen Erkenntnissen profitieren würden, die nicht auf medizinischen Kongressen oder in Lehrbüchern beschrieben werden, weil sie den Absatz von teuren Arzneimitteln reduzieren könnten. Ab einem bestimmten Punkt war ich überzeugt, dass Vitamin D die Produktion von neuroregenerativen Substanzen im Gehirn von Erwachsenen, Kindern, Föten und Embryonen stimuliert und dass Vitamin D äußerst wichtig für die Entwicklung, Funktion, Erhaltung und Regeneration des Nervensystems ist – ebenso wie für die Regulierung und Stärkung des Immunsystems und eine ganze Vielzahl von anderen grundlegenden Funktionen für die allgemeine Gesundheit des Menschen auch.

Und dieses Wissen ist in der medizinischen Welt nicht bekannt?

Dieses Wissen ist noch immer nicht in den gängigen Lehrbüchern verfügbar und die Mehrheit der Ärzte weiß auch heute nichts von der zentralen Bedeutung des Vitamin-D-Hormons. So begannen wir, Vitamin D an Patienten zu verabreichen, die an neurodegenerativen Krankheiten litten. Zuerst galt mein Interesse dabei Parkinson-Patienten und ich fing an, sie mit Vitamin D in physiologisch realistischen Dosen zu behandeln.

Was meinen Sie mit „physiologisch realistisch“?

Die tägliche Dosis, die heute international empfohlen wird, ist eine armselige Dosis, weit unter der physiologischen Dosis. Die physiologische Dosis beträgt – wie kürzlich belegt wurde – minimal 7.000 Tageseinheiten für Erwachsene mit einem normalen Body-Mass-Index, die gleiche Menge, die der Körper in nur 10 bis 20 Minuten der Exposition gegenüber der Sonne produzieren kann – abhängig vom Ausmaß der exponierten Körperoberfläche, der Körperposition (liegend oder stehend), der Pigmentierung der Haut, Alter und dem Sonnenstand. Sonnenschutzmittel blockieren übrigens die Fähigkeit des Körpers, Vitamin D zu produzieren, und sollten erst eingesetzt werden, wenn genügend Vitamin D erzeugt wurde.

10.000 IE sind also eine physiologische Dosis, keine Super-Dosis. Doch die meisten Ärzte betrachten diese Dosis noch immer als potenziell toxisch. Heute beträgt die empfohlene Dosis noch immer 600 internationale Einheiten – obwohl diese Zahl nachweislich das Ergebnis einer Fehlkalkulation ist! Es werden 600 internationale Einheiten empfohlen, aber wenn eine Person für nur 20 Minuten der Sonne ausgesetzt ist, kann er/sie leicht 10.000 Einheiten produzieren! Das ist eine deutliche Diskrepanz zwischen der medizinischen Praxis und dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis.

Ihre Dosis betrug also 10.000 IE?

Ja, wir begannen also, 10.000 Einheiten bei neurodegenerativen Erkrankungen zu geben. Eines Tages kam ein Patient mit Parkinson zu seiner zweiten Visite, nach 3 Monaten der täglichen Einnahme von 10.000 IE und dieser Patient hatte eine Vitiligo-Läsion auf seinem Gesicht, die in den wenigen Monaten der Verabreichung von 10.000 IE beträchtlich abgenommen hatte. Das veranlasste mich, in der medizinischen Literatur nach Informationen bezüglich der Auswirkungen von Vitamin D auf das Immunsystem zu suchen. Ich wurde durch die enorme Menge von Publikationen überrascht, die bereits in den Jahren 2001-2002 zur Verfügung standen.
Beeindruckt von diesem ersten Ergebnis begann ich, die 10.000 Einheiten Vitamin D auch bei Patienten mit Multipler Sklerose zu geben. MS ist eine sehr häufige Autoimmunerkrankung in der Neurologie, mit sehr verheerenden Auswirkungen. Diese erste tägliche Dosis gaben wir auch bei anderen Autoimmunerkrankungen wie Psoriasis, Lupus, rheumatoider Arthritis. Wir waren erstaunt, zu sehen, wie viel besser es diesen Patienten ging, obwohl sie nicht völlig symptomfrei wurden. Aber das war der Ausgangspunkt: die Anerkennung des großen Wertes von Vitamin D bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen.

Die Wirkung von Vitamin D bei Autoimmunerkrankungen

Warum hilft denn Vitamin D bei Autoimmunerkrankungen?

Vitamin D ist der größte Regulator des Immunsystems und modifiziert die Funktion von Tausenden von Genen in jeder Zelle des Immunsystems. Es ist eine Substanz, zu der es keine vergleichbare Zweite gibt.

Ich werde einen Vergleich anstellen, um zu erklären, was ich meine, wenn ich sage, dass so viele Gene durch Vitamin D in ihrer Aktivität reguliert werden: Stellen Sie sich ein Hochhaus mit vielen Zimmern vor. Stellen Sie sich vor, dass Tausende von Türen in diesem Wolkenkratzer nur von einem einzigen Schlüssel geöffnet oder verschlossen werden können. Sie können diesen Wolkenkratzer mit jeder Zelle des Immunsystems zu vergleichen, und den Schlüssel mit Vitamin D.

Bei einem Vitamin-D-Mangel kann der Kranke die Aktivität von Tausenden von biologischen Funktionen innerhalb der Zellen des Immunsystems nicht mehr regulieren – also stimulieren oder reduzieren – ein Mangel an dieser einen Substanz resultiert also in einer Katastrophe für das Immunsystem!

Menschen mit Vitamin-D-Mangel sind darum anfällig für zahlreiche Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose, Autoimmune Polyneuropathie, Guillain-Barré-Syndrom, rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis (und Schuppenflechte selbst), Myasthenia gravis, Polymyositis und systemischem Lupus erythematosus – um nur einige zu nennen.

Was genau macht denn Vitamin D im Immunsystem?

Vitamin ist ein Modulator, eine immunmodulatorische Substanz, die nicht die Aktivität des Immunsystems im Allgemeinen unterdrückt, sondern es moduliert. Und wir wissen, dass Vitamin D speziell die Art der immunologischen Reaktion unterdrückt, die Autoimmunerkrankungen hervorruft. Sie wird als „Th17-Reaktion“ bezeichnet. Praktisch alle Autoimmunerkrankungen sind durch eine solche abnormale Reaktion verursacht, die nicht normal, nicht physiologisch ist. Vitamin D ist, soviel ich weiß, die einzige Substanz, die in der Lage ist, selektiv diese spezielle Antwort zu hemmen, ohne dabei auch die anderen Reaktionen des Immunsystems zu beeinträchtigen. Ganz im Gegenteil: Vitamin D verstärkt sogar die Fähigkeit des Immunsystems gegen Viren, Bakterien und andere Mikroorganismen zu reagieren!

Was genau ist denn diese Th17-Reaktion?

Die Th17 Reaktion wird durch die Überproduktion eines Immunbotenstoffs oder Zytokins namens „Interleukin 17“ verursacht. Die Produktion von Interleukin 17 ist ein natürliches Phänomen und ist vorteilhaft in geregelten Mengen. Eine Überproduktion von Interleukin 17 ist allerdings kein natürliches Phänomen. Und Vitamin D reguliert eben diese Interleukin-17-Produktion. Eine Autoimmunerkrankung ist also das Ergebnis einer Fehlregulation des Immunsystems, die eine unkontrollierte Th17-Reaktion erzeugt. Und Vitamin D ist genau die Substanz, die benötigt wird, um das Immunsystem wieder zu regulieren.

vitamin-d-autoimmun

Und wie läuft diese TH17-Reaktion überhaupt aus dem Ruder? Durch den Vitamin-D-Mangel?

Patienten mit Autoimmunerkrankungen haben eine genetisch vererbte Resistenz gegen die Wirkung von Vitamin D. Diese Resistenz gegen die immunmodulatorische Wirkung von Vitamin D ist eine teilweise Resistenz, keine vollständige. Aufgrund dieser Resistenz sind diese Menschen veranlagt, Autoimmunerkrankungen zu entwickeln.

Was bedeutet denn Vitamin-D-Resistenz? Was habe ich mir darunter vorzustellen?

Der genaue Mechanismus dieser Resistenz ist noch nicht ganz klar. Es sind bereits verschiedene Krankheiten bekannt, die mit verschiedenen genetischen Mutationen des Vitamin-D-Rezeptors verbunden sind, welche diese Menschen resistent gegen Vitamin D machen. So eine Resistenz kann aber auch aufgrund einer Veränderung der Enzyme entstehen, die für die Umwandlung und Aktivierung von Vitamin D verantwortlich sind, die zwei Hydroxylasen. Es gibt also viele verschiedene Möglichkeiten, wie eine Resistenz entstehen kann: eine Mutation der ersten Hydroxylase, der zweiten Hydroxylase, eine Veränderung des Vitamin D-Rezeptors selbst oder eine genetische Veränderung des Proteins, welches Vitamin D bindet und transportiert. All diese genetischen Veränderungen können einzeln eine Resistenz gegen Vitamin D verursachen und eine Person kann auch an zwei oder drei dieser Probleme gleichzeitig leiden, die dann gemeinsam zur Resistenz gegen die Wirkung von Vitamin D beitragen.

Ist das ihre Hypothese oder gibt es dafür Belege?

Das ist nicht nur eine Hypothese, das ist gesichert: polymorphe Änderungen an einer der beiden Vitamin-D-Hydroxylasen (insbesondere 1-alpha-Hydroxylase) oder dem Vitamin D-Rezeptor oder an DBP (Vitamin-D-bindendes Protein) wurden in diversen Studien im Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen identifiziert und berichtet.

Autoimmunerkrankungen nehmen zu – heißt das, dass diese Mutationen sich ausbreiten?

Nicht unbedingt, aber die Auswirkung eines genetisch veränderten Vitamin-D-Stoffwechsels auf mehrere Krankheiten – nicht nur Autoimmunerkrankungen – hat sich in den letzten Jahren verschlimmert, möglicherweise aufgrund der Vermeidung von Sonneneinstrahlung und dem übermäßigen Gebrauch von Sonnenschutzmitteln. Das führt zu einer starken Verbreitung von Vitamin-D-Mangel wodurch die Prävalenz von Autoimmunerkrankungen zugenommen hat. Denn diese Menschen bräuchten ja deutlich mehr Vitamin D, statt immer weniger.

Und was bestimmt, welche Art von Autoimmunerkrankung ein Patient aus dieser Resistenz entwickelt?

Es gibt mehrere Faktoren, welche die Autoimmunreaktion bevorzugt gegen ein bestimmtes Gewebe, Organ oder System lenken können. Ein Faktor sind die geerbten Funktionen des Immunsystems, wie das Histokompatibilitäts-System, der so genannte „HLA-Genotyp“. Ein weiterer Faktor können Infektionskrankheiten sein, die das Immunsystem auf verschiedene Weise herausfordern.

Führt Vitamin D Resistenz denn unweigerlich zu Autoimmunerkrankungen?

Einige Menschen tragen diese genetische Prädisposition für Autoimmunerkrankungen, haben aber – noch – keine Autoimmunität entwickelt. Wir glauben, dass etwas anderes zusätzlich zu dieser genetischen Prädisposition notwendig ist, um diese Krankheiten auszulösen. Der häufigste, ich würde sogar sagen wahrscheinlich allgegenwärtige auslösende Faktor – zumindest bei rezidivierender remittierender MS, da wir hier fast keine Ausnahmen unter Tausenden von Patienten mit Autoimmunerkrankungen gefunden haben – ist ein belastendes Lebensereignis oder eine verlängerte stressige Zeit. Das scheint in den meisten Autoimmunerkrankungen sehr ähnlich zu sein.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Zunahme der Prävalenz von Autoimmunerkrankungen hauptsächlich von drei Faktoren abhängt: Erstens die geerbte, teilweise Resistenz gegen die biologischen Wirkungen von Vitamin D. Zweitens ein Vitamin-D-Mangel, verursacht durch schlechte Exposition gegenüber der Sonne. Und drittens ein emotionaler Faktor, ein auslösender Faktor, der bei Menschen, welche die beiden anderen prädisponierenden Faktoren aufweisen zu einer Aktivierung von Autoimmunerkrankungen führt.

Autoimmunerkrankung

Derzeit werden für viele Autoimmunerkrankungen ja aber noch diverse andere Mechanismen diskutiert, was halten Sie davon?

Wir schließen nicht aus, dass andere Faktoren ebenfalls eine Rolle in dem Prozess spielen könnten, aber selbst wenn diese Faktoren tatsächlich zur Entwicklung von Autoimmunerkrankungen beitragen sollten, dürfte die Rolle, die sie spielen, eine zweitrangige sein im Vergleich zu der pathophysiologischen Bedeutung von Vitamin D.

Das Coimbra-Protokoll: Ablauf und Inhalt

Nach ihren anfänglichen Erfolgen entwickelten sie über die Jahre ein ziemlich einfaches Protokoll, um praktisch alle Autoimmunerkrankungen zu behandeln, mit erstaunlichen Ergebnissen. Wie funktioniert dieses Protokoll?

Die Behandlung besteht im Grunde nur aus einem einzigen Element: Vitamin D. Wir brauchen sehr hohe Dosen von Vitamin D, um eine vollständige Kontrolle über die Krankheit zu bekommen. Die Dosis ist dabei nicht gleich für alle Patienten, sondern muss für jeden Patienten individuell auf das Niveau seiner Resistenz eingestellt werden. Wir haben ein Verfahren entwickelt, um die täglichen Einzeldosen für jeden Patienten mit Hilfe von Labortests einzustellen: Das Ausmaß der Resistenz kann durch eine Messung des Parathormons (PTH) festgestellt werden.

Warum PTH?

Die Hemmung der PTH-Expression in den Zellen der Nebenschilddrüse ist eine der biologischen Wirkungen von Vitamin D und ein guter Marker, weil es das finale Ergebnis nach einer langen Kette von biologischen Vorgängen ist – den zwei aufeinanderfolgenden Hydroxylierungen, dem Transport im Serum durch DBP und schließlich der VDR-Aktivierung. Wir messen also die endgültige Wirkung am Ende dieser Kette: Die Senkung des Spiegels von Parathormon. Es ist eine Möglichkeit die Resistenz zu messen, ohne wissen zu müssen, was der genaue Grund für diese Resistenz ist. Es spielt keine Rolle, ob der Grund diese Mutation ist, oder jene oder ob es mehrere gleichzeitige Gründe für die Resistenz gegenüber Vitamin D gibt. Durch die Messung des Parathormonspiegels betrachten wir die endgültige biologische Wirkung des Zusammenwirkens aller möglichen Ursachen von Resistenz gegen Vitamin D. Es ist ein Weg, unsere Arbeit zu optimieren, um dann für diesen Einzelfall die beste biologische Wirkung von Vitamin D zu erreichen, unabhängig von dem Grund der Resistenz.

Können Sie bitte erklären, wie diese Einstellung funktioniert?

Wenn Sie Vitamin D verabreichen, hemmt Vitamin D die Produktion von Parathormon. Wenn ich den Hormonspiegel vor der Verabreichung von Vitamin D messe und dann wieder nach zwei Monaten der Verabreichung einer konstanten Tagesdosis von Vitamin D, kann ich die Reduktion des PTH-Spiegels als Indikator für die biologische Reaktion auf Vitamin-D verwenden. Das ist genau der Parameter, den wir für jeden individuellen Fall verwenden, um die Vitamin-D-Dosis anzupassen. Wir geben nach einem ersten Test eine tägliche Dosis, die für 2-3 Monate aufrechterhalten werden muss, um dann das Ausmaß der PTH-Hemmung messen, wodurch die tägliche Dosis maßgeschneidert werden kann.

Ziel ist es, einen PTH-Serumspiegel zu erreichen, der nahe der unteren Grenze des normalen Bereichs liegt. Wir vermeiden eine vollständige Unterdrückung von PTH, um potentiell toxische Dosen von Vitamin D zu vermeiden. Man kann PTH nicht vollständig unterdrücken, weil der Patient in Gefahr liefe, Hyperkalzämie und damit Nierenschäden zu entwickeln. Somit ist PTH auch ein Sicherheitsparameter für uns. Wenn ich PTH nicht unterdrücke, kann ich sicher sein, keine toxischen Dosen von Vitamin D zu verabreichen. Ich kann die Dosis ausbalancieren auf genau die spezifische biologische Resistenz gegen die Wirkung von Vitamin D, die das Individuum aus genetischen Gründen aufweist.

Nierensteine – z.B. bestehend aus Kalziumoxalat – können bei einigen Patienten immer noch auftreten,, wie sie immer bei einer Tendenz zur übermäßiger Oxalat-Produktion auftreten können – unabhängig von der Vitamin-D-Therapie, aber wir konnten bisher keine Hyperkalzämie oder Hyperkalziurie beobachten. Das ist ein Grund, warum es so wichtig ist, während des Protokolls eine minimale tägliche Wasserzufuhr von 2,5 Litern einzuhalten.

Vitamin D PTH-Regulation

Aber PTH wird doch durch hormonelle Regelkreise streng reguliert und ist vor allem abhängig vom Calcium-Spiegel. Und aufgrund dieser Regulierung gibt es doch gar keine direkte Beziehung zwischen 25-OH-D und 1,25-D-Spiegel. Ist es nicht etwas zu einfach gedacht, das als einzigen Parameter zu benutzen?

Die Höhe des PTH-Abfalls in Reaktion auf eine Testdosis von Vitamin D kann in der Tat nur dann zuverlässig verwendet werden, um die individuelle Resistenz gegen die biologischen Wirkungen von D zu bestimmen, wenn alle anderen Variablen, die den PTH-Spiegel erheblich beeinflussen unter angemessener Kontrolle gehalten werden. Wie du schon richtig sagst, ist der Calziumspiegel – und nicht Vitamin D – der wichtigste Faktor für die PTH-Synthese. Einfach deshalb, weil die primäre Funktion von PTH die Steuerung des Kalziumspiegels ist. Daher kann eine Änderung des Calciumspiegels die hemmende Wirkung von Vitamin D auf die PTH-Synthese überschatten oder verstärken, wodurch es unmöglich würde, die PTH-Veränderungen zu verwenden, um die Dosis von Vitamin D für eine bestimmte Resistenz maßzuschneidern. Das ist der Grund, warum Patienten auf hochdosierter Vitamin-D-Therapie eine empfohlene Diät einhalten müssen.

Eine Diät mit sehr geringer Calcium-Aufnahme?

Ja, aber auch hier ist ein genaues Maß gefragt. Wenn sie es übertreiben und sich auf eine Diät mit zu wenig Calcium setzen, wird das Calcium im Blut der unteren Grenze des normalen Bereichs nahe kommen, trotz des hohen Gehalts an Vitamin D. Folglich erhöht sich PTH trotz der inhibitorischen Wirkung von Vitamin D und man kann das Vitamin D dann nicht richtig einstellen, weil die PTH-Spiegel trotz des Vitamin D immer hoch bleiben.

Auf der anderen Seite verzerren Patienten, die sich nicht an die empfohlene Diät halten und große Mengen von Lebensmitteln mit viel bioverfügbarem Calcium zu sich nehmen, das Verfahren ebenfalls. Denn wenn der Calciumspiegel sich durch die erhöhte Aufnahme im Darm der oberen Grenze seines normalen Bereichs nähert, wird PTH gehemmt, so dass Vitamin D nicht mehr der Hauptinhibitor von PTH ist. Unter solchen Umständen wäre PTH niedrig, und würde fälschlicherweise anzeigen, dass eine angemessene Dosis von Vitamin D erreicht wurde, um die Krankheitsaktivität zu unterdrücken.

Wie unterschiedlich sind denn die Vitamin-D-Dosen, die erforderlich sind?

Sie unterscheiden sich ganz erheblich. Die Dosen reichen von 30.000 bis zu über 100.000 IU pro Tag. Wir starten in der Regel mit 1000 IE pro Kilogramm Körpergewicht und stellen die Dosis dann nach den Laborergebnissen genau ein.

Diese Dosen gelten in der konventionellen Medizin als toxisch…

Sie sind auch toxisch für Menschen, die eine normale Reaktion auf Vitamin D haben – aber nicht bei einer Vitamin-D-Resistenz. Es ist auch wichtig zu verstehen, dass die therapeutische Anwendung von Vitamin D sich sehr von einer generellen Prävention unterscheidet! Die therapeutische Anwendung von Vitamin D benötigt immer die Anleitung und Überwachung durch einen Arzt mit einer speziellen Ausbildung, um jeden einzelnen Fall zu analysieren und die richtige Dosis zu bestimmen. Andernfalls kann es zu schweren Schäden für die Gesundheit kommen. Menschen, die unserem Protokoll folgen, sollten einer speziellen Calcium-armen Diät folgen, mit komplettem Verzicht auf alle Milchprodukte und mindestens 2,5 Liter Wasser pro Tag trinken. Auch Calcium im Urin und Blut muss sorgfältig überwacht werden. Dies sind Maßnahmen zum Schutz der Nieren. Abgesehen davon, sollten unsere Patienten tägliche sportliche Übungen machen und regelmäßige Dexa-Scans erhalten, um sicherzustellen, dass ihre Knochen gesund bleiben.

Was ist in diesem Zusammenhang das beste Dosierungsintervall für Vitamin-D? Täglich, wöchentlich, monatlich oder jährlich?

Wir gingen am Anfang von der Annahme aus, dass eine tägliche Sonneneinstrahlung die natürliche Versorgung für Menschen darstellt und darum eine gute Regel ist, der man in der Therapie folgen sollte. Da wir zudem Vitamin D an Patienten mit gestörtem Vitamin D-Stoffwechsel verabreichen, haben wir von Anfang an versucht, alle Faktoren auszuschließen, die den Nutzen minimieren könnten. So schien uns die Verabreichung von Vitamin D auf einer täglichen Basis eine gute Entscheidung zu sein, da die Veränderung der Blutkonzentrationen auf diese Weise gering ist, was möglicherweise eine stabilere Wirkung erzeugt. Betrachtet man nun das aktuelle Wissen über die Dynamik des Vitamin D3-Stoffwechsels, sind wir davon überzeugt, dass eine monatliche oder jährliche Dosierung völlig ungeeignet wäre, um die Aktivität von Autoimmunerkrankungen zu steuern.

Verwenden Sie Öle oder Kapseln?

Vitamin D ist fettlöslich. Darum wird Vitamin D besser aufgenommen und sollte eine bessere Wirkung entfalten, wenn es in einem Lipidträger gemischt ist – also weiche Gele oder Öle.

Effekt des Coimbra-Protokolls bei Autoimmunerkrankungen

Bisher behandeln Sie in erster Linie Patienten mit MS. Was ist die Erfolgsquote des Protokolls bei Multipler Sklerose?

In etwa 95% der Patienten mit MS bleibt die Krankheit unter unserem Protokoll in dauerhafter Remission. Während die Patienten diese hohe Dosis Vitamin D erhalten, bleibt die Krankheit inaktiv, ohne irgendwelche Anzeichen neuer Läsionen – weder klinische noch labortechnische. Etwa 5% der Patienten erreichen ein Teilergebnis, das bedeutet, dass sie Verbesserungen aufweisen, aber keine komplette Remission der Krankheitsaktivität erreichen. Wir untersuchen die Gründe, warum diese 5% die komplette Remission der MS nicht erreichen. Bisher sehen wir fünf Hauptpunkte: Der wichtigste ist ein hohes Maß an Stress. Emotionaler Stress kann das Ergebnis dieser Behandlung ernsthaft beeinflussen. Die anderen Elemente, die den Erfolg dieser Therapie beeinträchtigen sind Rauchen, häufiger Alkoholkonsum, die Gewohnheit, heiße Bäder zu nehmen, und rezidivierende Infektionen – in der Regel der Harnwege. Das ist alles aber nicht spezifisch im Zusammenhang mit Vitamin D zu sehen, da diese Faktoren im Allgemeinen die Entwicklung von MS beschleunigen können, auch bei Patient in einer traditionellen Behandlung.

Wie viele Patienten haben Sie mit Ihrem Protokoll bisher behandelt?

Persönlich habe ich bereits mehr als 1600 MS-Patienten behandelt und eine ähnliche Zahl von Patienten mit anderen Autoimmunerkrankungen. Fünf weitere Ärzte haben seit 2013 in unserer Klinik unter meiner Aufsicht gearbeitet und eine noch größere Anzahl von Patienten mit Autoimmunerkrankungen behandelt. Inzwischen gibt es mehrere Ärzte weltweit, die ich trainiert habe und die unser Protokoll verwenden, so dass die Gesamtzahl mehrere Tausend Patienten betragen muss. Einer von ihnen, ein portugiesischer Arzt, den ich erst vor einem Jahr (2015) trainiert habe, erzählte mir kürzlich, dass seine Klinik im letzten Jahr allein über 400 Patienten behandelt hat, die aus mehreren europäischen Ländern und Afrika kommen.

Das ist eine Menge Erfahrung! Sie behandeln auch viele andere Autoimmunerkrankungen wie Psoriasis, Vitiligo, Morbus Crohn … sind die Ergebnisse der Behandlung ähnlich gut, bei allen diesen Krankheiten?

Unser Protokoll ist eine hochwirksame Behandlung für alle Autoimmunerkrankungen, die wir bisher behandelt haben. Bei all diesen Erkrankungen haben wir mit dem gleichen Protokoll eine vollständige Kontrolle über die Krankheit erreicht.

Die Verwendung von Vitamin D bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen ist nicht auf eine bestimmte Krankheit gerichtet, sondern darauf, das Immunsystem zu regulieren. Unter der Wirkung von Vitamin D erhöht das Immunsystem die Anzahl der so genannten „regulatorische T-Lymphozyten“, welche die Immunantwort regulieren. Gleichzeitig wird die abnorme Th17 Reaktion – der Mechanismus für Autoimmunerkrankungen im Allgemeinen – durch Vitamin D selektiv gehemmt. Diese beiden Dinge sind für die Kontrolle jeder Autoimmunerkrankung äußerst wichtig.

So sind Autoimmunerkrankungen wie chronische Darmentzündungen, Morbus Crohn und Ulcerale Colitis alles Fälle, die wir behandelt haben und die vollständig reagiert haben. Der Patient lebt völlig frei von jeglicher Manifestation und Symptomen der Krankheit und führt ein normales Leben. Das gleiche gilt für Psoriasis und Vitiligo – auch hier haben wir eine 95%-ige Erfolgsrate der vollständigen Auflösung der Symptome.

Bei neurologischen Störungen ist es ein wenig anders. Wir haben erfolgreich die isolierte optische Neuritis, das Guillain-Barré-Syndrom (GBS), die Autoimmun- Polyneuropathie und schwere Myasthenia behandelt und auch hier konnten wir in 95% der Fälle eine vollständigen Unterdrückung der Autoimmunaktivität erreichen. Aber leider bedeutet das nicht, dass die älteren, schon lange bestehenden und irreversiblen Schäden, die durch das Immunsystem verursacht wurden automatisch verschwinden. Eine seit Jahren bestehende Querschnittslähmung bei einem MS-Patienten oder eine lang bestehende Gelenkdeformierung bei einem Patienten mit rheumatoider Arthritis können leider nicht mehr rückgängig gemacht werden. Alle anderen Symptome der Krankheitsaktivität wie Entzündungen, chronische Erschöpfung, Schmerzen, Schwellung, Rötung, lokale Wärme, sowie alle erst kürzlich erworbenen Behinderungen können jedoch behoben werden. Im Allgemeinen können alle Schäden, die sich bis zu einem Jahr vor dem Beginn der Behandlung gebildet haben mit hohen Dosen von Vitamin D fast vollständig zurückbilden.
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Wie bewerten Sie Ihre Ergebnisse: Denken Sie, Autoimmunerkrankungen können „geheilt“ werden, oder ist die einzige Möglichkeit, sie in dauerhafter Remission zu halten?

Wir haben noch keine Antwort auf diese Frage. Wir sprechen nicht von einer „Heilung“. Stattdessen haben wir unserer Protokoll so weit in Sachen Wirksamkeit und Sicherheit optimiert, dass wir bei der größten Anzahl von Patienten eine komplette Remission ohne irgendwelche Nebenwirkungen erreichen. Hypothetisch gesehen könnte das Immunsystem bei einigen Patienten nach mehreren Jahren ohne Schübe irgendwann „vergessen“, dass es einmal Autoimmun-Aggressionen hatte. Auch wenn diese Hypothese sich bei einigen Patienten als richtig erweist, könnten mehrere Faktoren die nötige Dauer der Behandlung beeinflussen, einschließlich der Dauer der Krankheitsaktivität vor dem Beginn der hochdosierten Vitamin D-Therapie und dem Erreichen emotionaler Stabilität.

Wir können die Möglichkeit nicht ausschließen, dass eine große Anzahl von Patienten – vielleicht die meisten von ihnen – auf unbestimmte Zeit hohe Dosen von Vitamin D werden einnehmen müssen, um ihre Krankheit in Dauer-Remission zu halten. Wir gehen davon aus, dass wir irgendwann labortechnische und klinische Kriterien für die Auswahl von Kandidaten entwickeln können, bei denen eine Reduzierung der täglichen Dosis von Vitamin D möglich ist.

Momentan sind wir sehr glücklich und zufrieden, dass wir eine komplette Remission der Krankheit und eine Rückbildung der letzten erworbenen Behinderungen erreichen konnten. Das ist eine große Belohnung in sich selbst. Die Patienten haben ihr Leben zurück. Eine komplette Remission ist ein großer Erfolg, wenn man bedenkt, wie schwerwiegend diese Krankheiten sind.

Wir sind in der Lage in MS-Patienten durch mehrere aufeinander folgende jährliche MRT-Scans zu beweisen, dass unter unserem Protokoll alle letzten Läsionen verschwinden und keine neuen Läsionen mehr auftauchen. Sofern der Patient keine dauerhaften Behinderungen aus der Zeit vor der Behandlung hat, kehrt er in ein ganz normales Leben zurück. Die Dosis von Vitamin D muss aber beibehalten werden und wir empfehlen, dass der Patient nach zwei Jahren zu einer Nachfolgeuntersuchung kommt und dann nach zwei bis fünf Jahren für eine zweite Untersuchung. Wir wissen noch nicht, wie lange der Patient diese hohe Dosis von Vitamin D beibehalten muss und für den Moment ist die Behandlung auf einen unbestimmten Zeitraum angelegt.

Abgesehen von Vitamin D geben Sie zwei Kofaktoren: Magnesium und Vitamin B2. Können Sie erklären, warum dies notwendig ist?

Alle Enzyme, die Vitamin D konvertieren und aktivieren, sind von Magnesium abhängig. Da ein Magnesiummangel schwer zu diagnostizieren ist, geben wir prophylaktisch allen Patienten viermal täglich 100 mg elementares Magnesium.

Die Hydroxylasen sind auch abhängig von Vitamin B2, nicht direkt, sondern indirekt, weil die Enzyme in der Phase der Vitamin-D-Hydroxylierung oxidieren. Bevor es ein anderes Molekül umwandeln kann, muss das Enzym zurück reduziert werden in einem chemischen Prozess namens Reduktion. Und dieser Reduktionsprozess erfordert die Anwesenheit von Vitamin B2. Etwa 10-15% der Gesamtbevölkerung weltweit kann Vitamin B2 aufgrund einer genetischen Veränderung schlecht aufnehmen. Dies kann zu einer Vitamin D-Resistenz beitragen, weil die Hydroxylasen in Abwesenheit von ausreichend Vitamin B2 nicht gut arbeiten. Wir geben hier hohe Dosen von Riboflavin (50 mg 4-mal pro Tag), um die mangelnde Absorption zu kompensieren und die Hydroxylierungen von Vitamin D zu optimieren.

Und was ist mit Vitamin K2?

Sowohl ein Vitamin-D-Mangel als auch sehr hohe Vitamin-D-Spiegel führen zu einem erhöhten Abbau von Knochen. Bei einem Vitamin-D-Mangel durch den entstehenden Calcium-Mangel, bei hochen Vitamin-D-Spiegeln durch eine Stimulation der Osteoklasten, welche die Mineralien aus den Knochen herauslösen. Wir haben am Anfang versucht, diesem Knochenabbau durch Vitamin K2 entgegenzuwirken, aber es war bei diesen Dosen Vitamin D wirkungslos. Heute verwenden wir tägliche sportliche Betätigung als Schutzmaßnahme für die Knochen. Bei Menschen, die dazu krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, setzen wir Biophosphonate ein. Wir haben bisher  keinerlei Nebenwirkungen feststellen können, suchen aber trotzdem weiter nach einer natürlichen Alternative für Biophosphonate.

Derzeit gibt es keinen deutschen Arzt, der eine Therapie nach diesem Protokoll anbietet, aber wir haben Tausende von Patienten, die dringend Hilfe brauchen. Nun werden durch dieses Interview detaillierte Anleitungen für das Protokoll online veröffentlicht. Wie fühlen sich dabei, dass einige Menschen jetzt das Protokoll vermutlich auf eigene Faust beginnen?

Die Periodische Überwachung von Laborparametern, wie den Serumspiegeln von PTH, Kreatinin und Calcium und die Urinspiegel von Calcium sind zum Maßschneidern der täglichen Dosen Vitamin D erforderlich. Periodische Dexa-Scans sind erforderlich, um Nebenwirkungen auf den Knochenstoffwechsel verhindern. Die Menschen können diese Labortests meist nicht auf eigene Faust bekommen und die Ergebnisse korrekt analysieren, so dass wir es nicht empfehlen, dieses Protokoll alleine durchzuführen. Eine Liste der europäischen Ärzte, die in unserer Klinik ausgebildet wurden, steht nun im Internet zur Verfügung – leider ist bisher kein deutscher Arzt dabei.

Link zur Liste: Contatos des Medicos

Hoffentlich wird ihr Interview hier Interesse auslösen. Wir bieten allen Ärzten und Heilpraktikern an, dass sie für fünf Tage in unsere Klinik kommen können und kostenlos in dem Protokoll geschult werden – sie zahlen nichts für diese Ausbildung! (Kontakt: ccc.secretaria@gmail.com)

Wissenschaft und Praxis der Vitamin-D-Therapie

Im Moment sind viele Heiler vielleicht zögerlich, da keine klinischen Doppelblind-Studien (RCTs) mit Ihrem Protokoll durchgeführt wurden. Warum ist das der Fall?

Ein grundsätzliches Problem mit RCTs in Bezug auf unser Protokoll ist, dass die therapeutische Effizienz unseres Protokoll nicht auf diese Weise getestet werden kann. RCTs verlangen, die gleiche tägliche Dosis von Vitamin D für alle in der Versuchsgruppe beteiligten Personen zu geben und der Arzt, der die Substanzen verabreicht, muss blind sein, ob er dem Patienten einen Placebo oder die Testsubstanz verabreicht.

In unserem Protokoll muss der betreuende Arzt aus den Labordaten die tägliche Dosis von Vitamin-D individuell berechnen. Das Ergebnis ist eine Vielzahl von verschiedenen täglichen Dosen, die jeweils für die Bedürfnisse eines jeden bestimmten Patienten maßgeschneidert sind, um sein individuelles Niveau der Resistenz gegen Vitamin D zu kompensieren. So kann der fürsorgliche Arzt nicht blind sein, was der Patient nimmt.

Es gibt aber mindestens einen RCT, wo finnische Forscher 20.000 IE Vitamin D pro Woche verabreicht haben. Dies entspricht leider weniger als 3.000 IU pro Tag – viel kleiner als die minimale Dosis von 7.000 IU pro Tag, die nötig ist, um bei allen Menschen einen Vitamin D-Mangel oder eine Insuffizienz zu korrigieren. Trotzdem haben sie nach einem Jahr der Behandlung im Vergleich zu der Placebo-Gruppe im MRI eine reduzierte Anzahl von aktiven Läsionen gezeigt. (1)

Es ist auch die Frage, inwiefern sich RCTs überhaupt für Nährstoffe eignen…

Diese Frage ist sehr wichtig, weil Ärzte metabolische Krankheiten nicht randomisieren können. Wir sind verpflichtet, sie zu korrigieren. Wenn bei einer Person eine Stoffwechselstörung durch ein Labor diagnostiziert wurde – zum Beispiel eine Hypothyreose, ein Mangel an Schilddrüsenhormonen, die potentiell tödlich ist und schwere Schäden verursacht, wenn sie nicht eingestellt wird – dann muss ich das korrigieren. Ein anderes Beispiel ist Typ-1-Diabetes bei Kindern, die kein Insulin produzieren können. Die Ärzte sind verpflichtet, dieses Defizit zu korrigieren und müssen Insulin verabreichen. Unter solchen Umständen – wenn der Patient ein metabolisches Problem hat, einen Mangel oder eine Art geerbter Resistenz in Bezug auf ein Hormon oder ein Vitamin – ist der Arzt ethisch dazu verpflichtet, eingreifen und das zu korrigieren.

Wenn wir aber von einer doppelblinden und randomisierten Forschung sprechen, heißt das, dass ich eine Gruppe von Patienten habe, die beispielsweise mit hohen Dosen von Vitamin D behandelt wird und eine Gruppe, die ein Placebo erhält und weder Ärzte noch Patienten in dieser Studie wissen, wer das Vitamin-D bekommt und wer den Placebo.

Nun, man könnte diese Art von Forschung auch nicht mit diabetischen Kindern machen. Es gab noch nie eine randomisierte Doppelblind-Forschung, die bewiesen hat, das Insulin für diabetische Kinder geeignet ist! Die wurden nie gemacht und sie werden auch nie gemacht werden. Das gleiche gilt für Menschen mit Hyperthyreose, da wir gezwungen sind eine Behandlung zu geben. Es wird nie eine randomisierte Doppelblindstudie geben, wo eine Gruppe Schilddrüsenhormone erhält und die andere erhält Placebo. Das gleiche geschieht im Falle eines Mangels an Vitamin B12. Ein Vitamin B12-Mangel kann eine verheerende neurologische Krankheiten verursachen, das Rückenmark zerstören, so dass Sie niemanden mit einem B12-Mangel unbehandelt lassen können, weil das Nachlässigkeit wäre. So können Sie solche Personen mit behandelbaren Mängeln nicht einfach unbehandelt lassen. Wenn ich eine randomisierte Doppelblindstudie mache, würde ich gegenüber 50% meiner Patienten meine Pflicht verletzen. Die Placebo-Gruppe wäre Opfer eines ärztlichen Kunstfehlers.

Sie halten RCTs in diesem Fall also für unethisch?

Ja, und das ist ein sehr wichtiges Konzept, weil heutzutage die medizinische Gemeinschaft gelehrt worden ist, dass alle in der Literatur veröffentlichten Ergebnisse zu vernachlässigen sind, wenn sie nicht das Ergebnis einer randomisierten Doppelblind-Studie sind. Dies ist ein großer Fehler. Speziell für Nährstoffe und Hormone. Darum haben wir für unser Protokoll keine randomisierten Doppelblind-Studien, und wir werden auch nie zulassen, dass ein Patient unter unser Obhut daran teilnimmt, weil es gegen die beiden großen Grundprinzipien in der Medizin verstößt, die eigentlich in allen westlichen medizinischen Schulen auf der ganzen Welt unterrichtet werden. Das erste Prinzip besagt, den Zustand des Patienten nicht zu verschlechtern, nicht in einer solchen Art und Weise zu handeln, dass sich der klinische Zustand verschlechtert. Und das zweite Prinzip besagt, dass der Patient die beste bekannte und mögliche Behandlung zu erhalten hat.

Wenn ich also einen Patienten mit Vitamin-D-Mangel nicht behandelte oder seine Vitamin D-Resistenz nicht kompensiere – in dem Wissen, dass Vitamin D ein großer Immunmodulator ist, wahrscheinlich die stärkste immunmodulatorische Substanz in der gesamten Natur – verletze ich meine Pflicht als Arzt. Darum werde ich nie eine randomisierte, doppelblinde Studie mit Vitamin D und Placebo bei Personen mit Autoimmunerkrankung durchführen. Warum? Weil ich das mit meiner Tochter nicht machen würde, mit meiner Frau nicht und darum werde ich es auch mit meinen Patienten nicht tun!

Immer wenn eine Ursache-Wirkungs-Beziehung (wie Vitamin D-Mangel oder Resistenz verursachen Autoimmunerkrankungen) besteht, muss die Ursache beseitigt werden, oder die Krankheitsaktivität würde aufrechterhalten werden.

Liegt ihnen denn nicht daran, ihr Konzept zu beweisen, damit es mehr Menschen erreicht?

Wir haben Tausende von dokumentierten Fällen, die unser Konzept mehr als beweisen. Wir haben um der Patienten willen begonnen, Vitamin D bei Autoimmunerkrankung einzusetzen. Unser Ziel war nicht die Forschung, war nicht, jemanden davon zu überzeugen, sondern folgte einfach dem zweiten Prinzip der medizinischen Praxis: dem Patienten in optimaler Weise zu helfen. Nämlich, wenn der Patient einen Mangel an einem leistungsfähigen Immunregulator hat, bekannt und dokumentiert, müssen wir diesen Mangel korrigieren. Wenn er eine Resistenz hat, müssen wir die Dosis in der Weise erhöhen, dass dieser Mangel kompensiert wird.

Sie haben doch einen unglaublichen Fundus dokumentierter Fälle, warum wurde das nicht veröffentlicht?

Wir haben eine Menge von Daten, gesammelt, und wir haben Erfahrung mit der Einstellung der Dosis für diese Patienten. Wir haben aber bisher nur Daten über Vitiligo und Psoriasis veröffentlichen dürfen, da diese die einzigen Krankheiten sind, für die wir eine Forschungs-Genehmigung durch den ethisch-medizinischen Ausschuss der UNIFESP (unsere Universität) erhalten haben. (2) Wir hätten gerne auch Daten für andere Krankheiten veröffentlicht, haben aber leider keine Genehmigung bekommen – aus Gründen, die wir bis heute nicht verstehen. Wie kann es unethisch sein, eine Behandlung zu testen, die solche positiven Auswirkungen hat? Wir konnten auch nicht verstehen, wie die ethische Bedingung, einen Nährstoffmangel bei einem Patienten zu korrigieren nicht gegeben sein kann. Ich bin nicht in der Lage, das zu verstehen, aber die Antwort war für viele Krankheiten negativ.

Aber selbst wenn es uns nicht erlaubt war, das zu offiziell zu erforschen, hat uns das nicht davon abgehalten, weiterhin unsere Patienten nach ihrem Interesse zu behandeln, und wir haben viele Erfahrungen gesammelt und Tausende von sehr gut dokumentierten Fällen. Und wir werden die Ethikkommission bitten, dass wir diese Fälle wenigstens im Nachhinein auswerten dürfen – das gilt dann nicht als Forschung.

Können Sie unseren Lesern erklären, warum die Genehmigung der Ethikkommission so wichtig ist?

Weil Sie diese Genehmigung für wissenschaftliche Publikationen benötigen: Wenn ich eine Publikation bei einem Journal einreichen möchte, die davon handelt, dass wir 2.500 Patienten mit hohen Dosen von Vitamin D behandelt haben, wird das Journal uns nach der Genehmigung der Ethikkommission fragen – ohne diese Genehmigung werden die nichts veröffentlichen. Also müssen wir jetzt bei der Ethikkommission beantragen, wenigstens eine nachträgliche Revision der medizinischen Aufzeichnungen dieser Patienten zu genehmigen. Mit der Genehmigung einer Revision der medizinischen Aufzeichnungen könnten wir einen Artikel an eine medizinische Zeitschrift senden. Lassen Sie uns hoffen, dass wir dabei diesmal keine Probleme bekommen.

Einerseits ist das verständlich, um unethische Forschung zu unterbinden – in diesem Fall ist es unfassbar.

Sie müssen auch berücksichtigen, dass MS ein Milliarden-Dollar-Markt ist. Für den Markt der Multiple-Sklerose-Therapeutika wird bis 2017 einen Wert von rund 17 Milliarden US-Dollar erwartet und 25 Milliarden US-Dollar in 2024. Und das ist nur eine einzige Autoimmunerkrankung! Vitamin D auf der anderen Seite ist extrem billig und nicht patentierbar.

Derzeit testet die Pharmaindustrie im Hintergrund bereits Zehntausende von modifizierten und darum patentierbaren chemischen Analoga von Vitamin D unter dem Vorwand, ein Medikament zu entwickeln, dass nicht die Nebenwirkungen von hohen Dosen von Vitamin D wie Hyperkalcämie verursachen würde. In Wahrheit konnten wir einfach hohe Dosen von Vitamin D verwenden, ebenfalls ohne solche Nebenwirkungen, indem wir die Menge an Calcium, durch Diät, eine erhöhte Hydratation und die Überwachung des PTH-Spiegels steuern.

Sie würden also sagen, dieses Wissen wird unterdrückt?

Aufgrund der großen Menge an Geld, um die es beim Marketing von Medikamenten geht, ist die Verbreitung von Wissen innerhalb der medizinischen Gemeinschaft eines der am strengsten kontrollierten Systeme unserer Zeit. Es gibt einen sehr guten Artikel dazu mit dem Titel „Key opinion leaders: independent experts or drug representatives in disguise?„. Es wurde im British Medical Journal (BMJ) im Jahr 2008 veröffentlicht. (3) Es ist auch Interessant, all die Briefe zu lesen, die der Herausgeber zu diesem Artikel von verschiedenen Ärzten bekommen hat – außerdem empfehle ich das Video-Interview mit Kimberly Elliot, die viele Jahre für ein Pharmaunternehmen gearbeitet hat.

Forschung ist also alles andere als unabhängig?

Eines der am häufigsten verwendeten Werkzeuge, um das medizinische Wissen zu steuern, ist die konsequente Verbreitung des falschen Konzepts, dass nur RCTs (insbesondere multizentrische RTCs) als „wirklich evidenzbasierte Medizin“ in Betracht gezogen werden sollten. Besonders bei Entscheidungen, wie man Patienten am besten behandeln sollte. Interessant ist, dass die meisten – wenn nicht alle – diese multizentrischen RTCs nur dann durchgeführt werden können, wenn sie finanziell von pharmazeutischen Unternehmen unterstützt werden. Das Konzept ist aber grundsätzlich falsch. Eine Open-Label-Studie, bei der also sowohl die Forscher als auch die Probanden wissen, welche Behandlung verabreicht wird, ist genauso gültig, wenn dadurch ein dramatischer und nachhaltiger Unterschied zwischen den Ergebnissen von „Behandlung im Vergleich zu keiner Behandlung“ oder „neue Behandlung im Vergleich zu herkömmlicher Behandlung“ erreicht wird.

Das Thema wird ja zum Glück mittlerweile diskutiert.

Ja dieses Thema wird schon länger diskutiert, zum Beispiel von Paul Glasziou und Kollegen von der Universität Oxford in ihrem Artikel mit dem Titel „“When are randomised trials unnecessary? Picking signal from noise“, aus dem Jahr 2007 im BMJ veröffentlicht. (4) Darin haben die Autoren eine Liste von Beispielen von Therapien zur Verfügung gestellt, die ohne RCTs in die medizinische Praxis aufgenommen wurden – und zwar gerade wegen des dramatischen Unterschieds, der bei diesen Therapien zu beobachten ist. Zum Beispiel Insulin bei Diabetes und Sulphanilimide für Puerperalsepsis.

Eigentlich ist es nämlich genau anders herum: wenn der Unterschied dramatisch ist, werden RCTs unethisch!

Ein weitere Falsche Idee ist, dass, wenn der therapeutische Wert eines Stoffes durch RCTs mehrerer unabhängiger Forschergruppen bestätigt wurde, dieses auch automatisch wirklich in die klinische Praxis integriert würde. Tatsächlich wird es das wahrscheinlich nicht, wenn das therapeutische Mittel zu billig ist und hat das Potential hat, teure Medikamente aus dem Markt zu verdrängen. Ein Beispiel ist die Verwendung von hohen Dosen von Riboflavin (Vitamin B2) zur Prophylaxe von Migräne: wirksam, kostengünstig und ohne Nebenwirkungen. Dennoch fast nie verordnet.

Eine letzte Frage. Sie arbeiten therapeutisch mit sehr hohen Dosen. Aber welche Dosen empfehlen Sie für die Prävention bei gesunden Erwachsenen?

Für gesunde Menschen empfehlen wir kein hochdosiertes Vitamin D, sondern nur normale Dosen von bis zu 10.000 IE pro Tag. Das ist eine völlig sichere Dosis, weil Sie diese Menge leicht durch Sonnenexposition bekommen. Kinder können bis zu 200 IE pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag erhalten.

Vielen Dank für dieses faszinierende Interview!

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Erwähnte Studien

  1. Soilu-Hänninen M, Aivo J, Lindström BM, Elovaara I, Sumelahti ML, Färkkilä M, Tienari P, Atula S, Sarasoja T, Herrala L, Keskinarkaus I, Kruger J, Kallio T, Rocca MA, Filippi M. A randomised, double blind, placebo controlled trial with vitamin D3 as an add on treatment to interferon ß-1b in patients with multiple sclerosis. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2012 May;83(5):565-71.
  2. Finamor, D. C., Sinigaglia-Coimbra, R., Neves, L. C., Gutierrez, M., Silva, J. J., Torres, L. D., … & Lopes, A. C. (2013). A pilot study assessing the effect of prolonged administration of high daily doses of vitamin D on the clinical course of vitiligo and psoriasis. Dermato-endocrinology, 5(1), 222-234.
  3. Moynihan, R. (2008). Key opinion leaders: independent experts or drug representatives in disguise?| NOVA. The University of Newcastle’s Digital Repository.
  4. Glasziou, P., Chalmers, I., Rawlins, M., & McCulloch, P. (2007). When are randomised trials unnecessary? Picking signal from noise. BMJ: British Medical Journal, 334(7589), 349.