Vitamin D Mangel und Depression

 

Vitamin D Mangel und Depression

Vitamin D Mangel und Depression: Ist Vitamin-D-Mangel eine Ursache für Depressionen? Kann Vitamin D helfen? Der aktuelle wissenschaftliche Stand.

Depressionen – eine Volkskrankheit

Depressionen können das Leben extrem beeinträchtigen und werden doch noch sehr unterschätzt. Depressionen zählen heute zu den häufigsten und gleichzeitig schwersten und folgenreichsten psychischen Erkrankungen. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe schätzt, dass etwa vier Millionen Menschen allein in Deutschland an einer Depression leiden, große Studien stützen diese Einschätzung und gehen von mindestens drei Millionen Menschen aus (1) eine neuere Studien gar von etwa 6 Millionen Menschen (2)– jeder fünfte Deutsche durchlebt mindestens einmal im Leben eine schwere Depression. Eine weltweite Studie der WHO stellte nicht nur fest, dass die Depression mittlerweile zu den schwersten Volkskrankheiten zu zählen ist, sondern auch, dass keine andere Krankheit das Leben von so vielen Menschen derart negativ beeinflusst. (3, 4) Die Depression stellt zudem derzeit weltweit eine der Hauptursachen für krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit dar. (5) Weltweit leiden nach Einschätzung der WHO etwa 350 Millionen Menschen an einer Depression, die nach den aktuellen Trends in wenigen Jahren die zweithäufigste Volkskrankheit sein dürfte. (6) Schon jetzt ist sie eine der Hauptursache für Suizid – derzeit nehmen sich täglich weltweit etwa 3000 Menschen selbst das Leben. (7)

Depression und Vitamin-D-Mangel

Es wird schnell deutlich, welche Ausmaße die Erkrankungen an Depressionen mittlerweile angenommen haben und wie dringend nach einer effektiven Behandlung gesucht wird. Die Ursachen für eine Depression können nach aktueller Einschätzung vielfältig sein. Schwierige Lebensumstände, Stress und Burn-Out, genetische Defekte und – heute leider noch vernachlässigt – auch Nährstoffmängel. Insbesondere ein Mangel an Vitamin B6, Vitamin B12 und Vitamin D wird heute mit Depressionen assoziiert. (8) Bei allen drei Vitaminen gibt es zum Teil sehr gute Behandlungserfolge.

Depressive Menschen weisen sehr häufig sehr niedrige Vitamin-D-Spiegel auf. (9, 10)  

Das statistische Risiko, an einer Depression zu erkranken, verdoppelte sich laut einer aktuellen Studie bei niedrigen Vitamin-D-Spiegeln bei jungen Erwachsenen beinahe. (11) Depression gilt darum als eines der Symptome eines Vitamin-D-Mangels.

Niedrige Vitamin-D-Spiegel und Depressionen

Dieser korrelative Zusammenhang konnte in diversen weiteren Studien ebenfalls bestätigt werden. (12-14) Leider sind diese Ergebnisse aber nicht konsistent, da es auch einige wenige statistische Erhebungen gibt, die keinen solchen Zusammenhang feststellen konnten.(15-17) Woher diese Unterschiede rühren, ist derzeit nicht geklärt, aber statistische Methodik, Auswahl der Versuchsteilnehmer, Zeitpunkt der Blutprobenentnahme und eventuell noch andere bestehende Nährstoffmängel könnten einen Teil der Abweichungen erklären. (18)

Eine aktuelle Meta-Analyse diverser verfügbaren Studien aus dem Jahr 2013 kam jedoch zu dem Ergebnis, dass Vitamin-D-Spiegel und Schwere der Depression eine deutliche umgekehrte Abhängigkeit zueinander zeigen. (19)  

Dies bedeuetet: Je ausgeprägter der Vitamin-D-Mangel ist, um so schlimmer sind die Symptome der Depression. Ein Anheben des Vitamin-D-Spiegels führt umgekehrt zu einem Abklingen der Symptome. Wie weiter unten beschrieben, stützen auch besonders guten Erfolge bei Interventionsstudien mittlerweile die Annahme, dass Vitamin-D-Mangel direkt mit dem Auftreten von Depressionen in Verbindung steht.

Vitamin D und Winterdepression

Denn auch abgesehen von statistischen Zusammenhängen gibt es bei Vitamin D gute Gründe, einen Zusammenhang zu vermuten. Besonders auffällig ist das stark saisonale Auftreten von Depressionen, die besonders häufig im Winter auftreten – im Volksmund ist diese „Winterdepression“ mittlerweile sogar ein fester Begriff. Um festzustellen, ob der ausschlaggebende Faktor hier der generelle Mangel an Sonnenlicht, oder aber der durch den Sonnenentzug einsetzende Vitamin-D-Mangel ist, konnte eine kleine Studie recht deutliche Ergebnisse bringen.

Eine Gabe von 100.000 IE Vitamin D konnte die Depression der Versuchsteilnehmer auf der üblichen Depressionsskala um 74 % verbessern, während eine Lichttherapie in einer Kontrollgruppe keine solche Verbesserung bewirken konnte. (20)  

Vitamin D bei Depressionen

Auch andere Interventionsstudien konnten diese positiven Ergebnisse für den therapeutischen Einsatz von Vitamin D bei Depressionen bestätigen. (21-23) Die dabei zum Einsatz gekommenen Dosen Vitamin D3 waren sehr unterschiedlich, positive Effekte ließen sich jedoch schon bei Dosen ab 400 IE feststellen. Welche Dosis genau nötig ist, um eine präventive oder therapeutische Wirkung zu entfalten, ist derzeit nicht geklärt und vermutlich auch individuell verschieden. Die bisher verfügbaren Studien legen nahe, dass das Risiko einer Depression ab einem Blutspiegel von 30 ng/ml deutlich abnimmt. Solche Werte werden üblicherweise mit Dosen von 2000-3000 IE pro Tag von den meisten Menschen erreicht.

Vitamin-D-Mangel und seine Verbindung zu Depression

Die beschriebenen wissenschaftlichen Ergebnisse werden umso plausibler durch erst kürzlich erforschte Mechanismen, welche die Wirkung des Vitamin D auf Depressionen ursächlich erklären könnten. Zum einen spielt Vitamin D eine wichtige Rolle in der Regulation des Hirnbotenstoffes Serotonin (24) und ein Mangel an Vitamin-D führt zu strukturellen Veränderungen im Gehirn und beeinflusst die Verwertung von Dopamin und die Synthese von Noradrenalin (Norepinephrin). (25-29) Alle Botenstoffe haben einen Einfluss auf Stimmung und psychische Verfassung. Des Weiteren hat Vitamin D zahlreiche Nerven-schützende Funktionen (30) und steuert das wichtigste interzelluläre Antioxidans Glutathion. (31, 32) All diese Mechanismen bieten eine gute Erklärung für die Wirkung von Vitamin D bei Depressionen, so dass heute auch eine solide theoretische Grundlage für diesen Zusammenhang existiert. In den nächsten Jahren dürfen wir auf weitere Studien hoffen, welche das präventive und therapeutische Potenzial von Vitamin D noch näher untersuchen.

Was tun bei Depressionen und Vitamin-D-Mangel?

Aufgrund der oben zitierten Interventionsstudien ist der therapeutische Einsatz von Vitamin D bei Depressionen vielversprechend. Ziel der Therapie sollte ein Anheben des Vitamin-D-Spiegels auf 40-60 ng/ml sein. Dies kann durch eine hochdosierte Anfangstherapie (10.000 IE pro Tag für 8 Wochen) schnell erreicht und durch eine Erhaltungstherapie (2000-4000 IE pro Tag) langfristig stabilisiert werden. Mehr Informationen dazu im Artikel Vitamin-D-Dosierung. Es ist ratsam, gleichzeitig Vitamin K2 einzunehmen, da sonst Probleme mit der Calciumverwertung auftreten können und einige Funktionen des Vitamin D nicht zum Tragen kommen. Die Anfangstherapie ist am besten mit Vitamin-D-Tropfen durchzuführen, da die Einnahme von größeren Mengen Tabletten aufgrund der Zusatzstoffe nicht zu empfehlen ist. Im Sommer ist der tägliche Aufenthalt in der Sonne bei leichter Bekleidung ebenfalls geeignet, den gewünschten Anstieg des Vitamin-D-Spiegels zu erreichen. Dies ist sogar einer Behandlung mit Präparaten deutlich vorzuziehen – allerdings muss hier gewährleistet sein, dass zu bestimmten Tageszeiten genügend Zeit in der Sonne verbracht wird und gleichzeitig mit Rücksichtnahme auf den Hauttyp nicht zu viel UV-Licht die Haut erreicht. Alle Informationen über korrektes Sonnen zur Vitamin-D-Synthese in unserem Artikel über Vitamin D und Sonne.

Fazit: Vitamin-D-Mangel und Depressionen

Auch wenn die statistische Lage nicht eindeutig ist: Der gute Erfolg bei Interventionsstudien und das aktuelle Verständnis der Wirkmechanismen lassen auf ein großes Potenzial für Vitamin D bei der Behandlung von Depressionen hoffen. Die Vitamin-D-Therapie ist im Winter durch Vitamin-D-Präparate günstig und im Sommer durch die Sonne sogar kostenlos und im Gegensatz zu vielen Antidepressiva auch frei von schweren Nebenwirkungen. Menschen, die an Depressionen leiden, kann darum in jedem Fall empfohlen werden, diesen Weg zumindest auszuprobieren.

Quellen

  1. Wittchen, H.-U., et al. Erscheinungsformen, Häufigkeit und Versorgung von Depressionen. Ergebnisse des bundesweiten Gesundheitssurveys“ Psychische Störungen“. Fortschritte der medizin, 2000, 118. Jg., S. 4-10.
  2. Busch, M. A., et al. Prävalenz von depressiver Symptomatik und diagnostizierter Depression bei Erwachsenen in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 2013, 56. Jg., Nr. 5-6, S. 733-739.
  3. Mathers, Colin, Doris Ma Fat, and Jan Ties Boerma. The global burden of disease: 2004 update. World Health Organization, 2008.
  4. Moussavi, Saba, et al. Depression, chronic diseases, and decrements in health: results from the World Health Surveys. The Lancet, 2007, 370. Jg., Nr. 9590, S. 851-858.
  5. World Health Organization, et al. DepressionWorld Health Organization: a global crisis. World Mental Health Day, October, 2012, 10. Jg., S. 2012.
  6. World Health Organization. „Depression: a global public health concern.“ Last modified October 5 (2012): 2012.
  7. World Health Organization, World suicide prevention day 2012.
  8. Michael Berk, Kerrie M. Sanders, Julie A. Pasco, Felice N. Jacka, Lana J. Williams, Amanda L. Hayles, Seetal Dodd, Vitamin D deficiency may play a role in depression, Medical Hypotheses, Volume 69, Issue 6, 2007, Pages 1316-1319, ISSN 0306-9877
  9. Hoogendijk, Witte JG, et al. Depression is associated with decreased 25-hydroxyvitamin D and increased parathyroid hormone levels in older adults. Archives of General Psychiatry, 2008, 65. Jg., Nr. 5, S. 508-512
  10. Consuelo H. Wilkins, Yvette I. Sheline, Catherine M. Roe, Stanley J. Birge, John C. Morris, Vitamin D Deficiency Is Associated With Low Mood and Worse Cognitive Performance in Older Adults, The American Journal of Geriatric Psychiatry, Volume 14, Issue 12, December 2006, Pages 1032-1040, ISSN 1064-7481
  11. Ganji, Vijay, et al. Serum vitamin D concentrations are related to depression in young adult US population: the Third National Health and Nutrition Examination Survey. International archives of medicine, 2010, 3. Jg., Nr. 1, S. 29.
  12. May HT, Bair TL, Lappé DL, Anderson JL, Horne BD, Carlquist JF, Muhlestein JB. Association of vitamin D levels with incident depression among a general cardiovascular population. Am Heart J. 2010 Jun;159(6):1037-43.
  13. Jorde R, Waterloo K, Saleh F, Haug E, Svartberg J. Neuropsychological function in relation to serum parathyroid hormone and serum 25-hydroxyvitamin D levels. The Tromsø study. J Neurol. 2006 Apr;253(4):464-70. Epub 2005 Nov 14. PubMed PMID: 16283099.
  14. Lee DM, Tajar A, O’Neill TW, O’Connor DB, Bartfai G, Boonen S, Bouillon R, Casanueva FF, Finn JD, Forti G, Giwercman A, Han TS, Huhtaniemi IT, Kula K, Lean ME, Punab M, Silman AJ, Vanderschueren D, Wu FC, Pendleton N; EMAS study group. Lower vitamin D levels are associated with depression among community-dwelling European men. J Psychopharmacol. 2011 Oct;25(10):1320-8.
  15. Zhao, Guixiang, et al. No associations between serum concentrations of 25-hydroxyvitamin D and parathyroid hormone and depression among US adults. British Journal of Nutrition, 2010, 104. Jg., Nr. 11, S. 1696-1702.
  16. Schneider B, Weber B, Frensch A, Stein J, Fritz J. Vitamin D in schizophrenia, major depression and alcoholism. J Neural Transm. 2000;107(7):839-42. PubMed PMID: 11005548.
  17. Nanri A, Mizoue T, Matsushita Y, Poudel-Tandukar K, Sato M, Ohta M, Mishima N. Association between serum 25-hydroxyvitamin D and depressive symptoms in Japanese: analysis by survey season. Eur J Clin Nutr. 2009 Dec;63(12):1444-7. doi: 10.1038/ejcn.2009.96. Epub 2009 Aug 19. PubMed PMID: 19690578.
  18. Elizabeth R Bertone-Johnson. Vitamin D and the occurrence of depression: causal association or circumstantial evidence? Nutrition Reviews Aug 2009, 67 (8) 481-492;
  19. Anaglin, Rebecca ES, et al. Vitamin D deficiency and depression in adults: systematic review and meta-analysis. The British journal of psychiatry, 2013, 202. Jg., Nr. 2, S. 100-107.
  20. Gloth 3rd, F. M., Waheed Alam, and Bruce Holis. Vitamin D vs broad spectrum phototherapy in the treatment of seasonal affective disorder. The journal of nutrition,l health & aging, 1998, 3. Jg., Nr. 1, S. 5-7.
  21. Lansdowne AT, Provost SC. Vitamin D3 enhances mood in healthy subjects during winter. Psychopharmacology (Berl). 1998 Feb;135(4):319-23. PubMed PMID: 9539254.
  22. Jorde, R., Sneve, M., Figenschau, Y., Svartberg, J. and Waterloo, K. (2008), Effects of vitamin D supplementation on symptoms of depression in overweight and obese subjects: randomized double blind trial. Journal of Internal Medicine, 264: 599–609.
  23. Clarissa Drymon Shipowick, C. Barton Moore, Cynthia Corbett, Ruth Bindler, Vitamin D and depressive symptoms in women during the winter: A pilot study, Applied Nursing Research, Volume 22, Issue 3, August 2009, Pages 221-225, ISSN 0897-1897
  24. Patrick, Rhonda P.; Ames, Bruce N. Vitamin D hormone regulates serotonin synthesis. Part 1: relevance for autism. The FASEB Journal, 2014, 28. Jg., Nr. 6, S. 2398-2413.
  25. McGrath, John J., et al. Developmental vitamin D deficiency and risk of schizophrenia: a 10-year update. Schizophrenia bulletin, 2010, S. sbq101.
  26. James P. Kesby, Xiaoying Cui, Pauline Ko, John J. McGrath, Thomas H.J. Burne, Darryl W. Eyles, Developmental vitamin D deficiency alters dopamine turnover in neonatal rat forebrain, Neuroscience Letters, Volume 461, Issue 2, 11 September 2009, Pages 155-158, ISSN 0304-3940
  27. D.W. Eyles, F. Feron, X. Cui, J.P. Kesby, L.H. Harms, P. Ko, J.J. McGrath, T.H.J. Burne, Developmental vitamin D deficiency causes abnormal brain development, Psychoneuroendocrinology, Volume 34, Supplement 1, December 2009, Pages S247-S257, ISSN 0306-4530
  28. Almeras L, Eyles D, Benech P, Laffite D, Villard C, Patatian A, Boucraut J, Mackay-Sim A, McGrath J, Féron F. Developmental vitamin D deficiency alters brain protein expression in the adult rat: implications for neuropsychiatric disorders. Proteomics. 2007 Mar;7(5):769-80.
  29. Newmark H, Newmark J: Vitamin D and Parkinson’s disease-A hypothesis. Movement Disorder Society 2007, 22:461-468.
  30. Garcion, Emmanuel, et al. New clues about vitamin D functions in the nervous system. TRENDS in Endocrinology & Metabolism, 2002, 13. Jg., Nr. 3, S. 100-105.
  31. Garcion, E., et al. 1, 25-Dihydroxyvitamin D3 regulates the synthesis of ?-glutamyl transpeptidase and glutathione levels in rat primary astrocytes. Journal of neurochemistry, 1999, 73. Jg., Nr. 2, S. 859-866.
  32. Shinpo K, Kikuchi S, Sasaki H, Moriwaka F, Tashiro K: Effect of 1,25-dihydroxyvitamin D3 on cultured mesencephalic dopaminergic neurons to the combined toxicity caused by buthionine sulfoximine and 1-methyl-4-phenylpyridine. J Neurosci Res 2000, 62:374-382.